Township Philippi

One Day

Manchmal ist wenig viel.

In unserer heutigen Gesellschaft sind wir bereits enttäuscht, wenn nicht alles nach unseren Vorstellungen verläuft, weil wir immer mehr wollen, schneller sein wollen als andere, um an das vermeintliche Glück noch näher heranzukommen. Dabei geht es uns doch verdammt gut. Hand aufs Herz – jammern die meisten von uns nicht auf einem enorm hohen Level? Was ist mit den Menschen, denen es nicht ansatzweise so gut geht? Menschen aus der 3. Welt, Menschen mit Handicap, Menschen die schwer krank sind? Die meisten von uns haben so viel und trotzdem wollen wir noch mehr. Viel mehr.

Können wir all das schöne & Glückliche in unseren Leben so überhaupt noch wertschätzen? Sind unsere Vorstellungen von Glück und Zufriedenheit nicht absurd hoch? Glauben wir nicht einfach nur, dass uns das Erreichte auf der Jagd nach “noch mehr” glücklicher machen würde? Teure Autos, größere Wohnungen, schönere Menschen um sich herum – der ständige Vergleich mit anderen. Ist das ganze nicht ein Trugschluss und setzt uns zudem unnötig unter Druck?

 

Alle drei Sekunden verhungert auf diesem Planeten ein Mensch. 9 Millionen Menschen jedes Jahr.

Fern der Stadt. Fern der Zivilisation. Ohne Strom, ohne fließendes Wasser, ohne jeden Komfort. Die menschen in Townships leben völlig anders als wir. Aus der Ferne betrachtet, erschreckend anders. Sie richten sich nach Traditionen und Bräuchen, die für viele von uns fremd und beängstigend sind. Lehmhütten und Unterkünfte aus Pappe oder Blech. Trotz diesen Umständen ist den Township-Bewohnern egal, was andere über Sie denken, obwohl es ihnen so vermeidlich schlecht geht. Irgendwie beneidenswert diese Einstellung, denke ich mir. 

Warum ist uns die Meinung, die andere über uns haben so wichtig? Warum machen wir nicht auch einfach unser Ding? Damit meine ich nicht diese verkrampfte Individualität, die viele von uns wollen oder Egoismus. Zu sich, seinen Einstellungen und Bedürfnissen in jedem Bereich zu stehen, ist doch das Ziel. Ohne dabei die Meinung der anderen zum Maß aller Dinge zu machen. Wenn wir uns frei von Gedanken machen, wie andere über uns denken, kann es uns egal sein, wie sie die Welt und uns sehen. Wir sollten mehr das schätzen was wir haben, und uns nicht darauf konzentrieren, was wir nicht haben. Was wir auch gar nicht brauchen, um glücklich zu sein.

Am Rande der Stadt. Weit entfernt von einem normalen Leben. Blechhütten, verwahrloste herumlaufende Menschen und Kinder auf den Straßen. Keine funktionierenden Wasseranschlüsse, kein Strom. Die Menschen vor Ort leben in einer Welt voller Armut und ohne Chance auf ein besseres Leben. Gegrillte Schafsköpfe und Kaninchen gelten in den Townships als Delikatesse. Viele Menschen wohnen in einfachen Häusern ohne Wasseranschluss und Strom, andere in Blechhütten und Bretterverschlägen. Weil die Bevölkerung in den letzten Jahren schneller gewachsen ist, als die Stadt Infrastrukturen aufbauen konnte, wohnen in vielen Häusern, in den früher zwei Familien untergebracht waren, heute acht.

Umgeben von Uringeruch und Straßenhunden an jeder Ecke komme ich an einem dreckigen und baubedürftigen Kindergarten vorbei. Vor Ort stechen mir unrasierte, dreckige Räume ins Auge, in denen an Hygiene kaum zu denken ist. Neben ca. 30 fröhlichen und barfuss herumlaufenden Kindern berichtet mir eine der beiden Aufsichtspersonen, dass Hautkrankheiten oder Entzündungen zum Alltag gehören. Die Herzlichkeit der Menschen in den Armenvierteln erscheint umso beeindruckender, wenn man ihre Lebensumstände aus der Nähe gesehen hat. Erst wer dieses “andere” Südafrika erlebt hat, bekommt eine ungefähre Vorstellung von den Alltagsrealitäten in Kapstadt. Trotz dieser Umstände freuten sich die Kids unglaublich über unseren Besuch. Nach kurzer Zeit legten Sie ihre Scheu ab, mit uns zu spielen und zu sprechen. Das Lächeln der Kinder löste unbeschreibliche Glücksgefühle in uns aus. Es schien so, als ob in diesem Moment die zeit stehen blieb und alles “in Ordnung” sei, aber dem war leider nicht so. Ein Tag der mich zum nachdenken brachte. Manchmal ist wenig viel

Wie sind Townships überhaupt entstanden?

Townships galten zu Gründungszeiten als ideale Apartheitsunterkunft, in der alle “Rassen” durch buffer zones in Form von Verkehrsanlagen, Industrieeinrichtungen oder Landstücken getrennt wurden. Die schlechte Infrastruktur, sowie die wachsenden Einwohnerzahlen in den Townships gelten als großes Problem des Landes. Während der Rassentrennungspolitik (Apartheid) in Südafrika (1945) forderte die Natives Urben Areas Consolidaration Act die Behörden auf, separate Wohngebiete für die “nicht weiße” Bevölkerung zu schaffen. 

Das Erbe der Apartheid lastet auf der Stadt. Politik und Verwaltung sind mit Problemen konfrontiert, die teilweise unlösbar scheinen. Die offenbaren sich darin, dass eine reiche Minderheit auf eine große Mehrheit prallt, die mit den Folgen extremer Armut zurechtkommen muss. Die HIV/Aids-Pandemie etwa, deren Epizentrum in Südafrika liegt, trifft vor allem die Armen in den Townships.

Das Nelson Mandela (1918-2013) nach seiner Freilassung (1990) zu Tausenden Kapstädtern sprach, war der erste Schritt für den Aufbau einer neuen Demokratie. Bis die Kapstädter zu der so häufig genannten Regenbogennation zusammengewachsen sind, wie sie die bunte Flagge des Landes symbolisieren soll, wird es noch etwas dauern. Bislang bleiben die einzelnen Bevölkerungsgruppen nach wie vor weitgehend unter sich. Die “Afrikaaner”, die Nachfahren der holländischen Einwanderer, und die Nachkommen der Briten leben genauso in Kapstadt wie schwarze und die sogenannten coloureds, deren Wurzeln in den Verbindungen zwischen Europäern und Sklaven aus Afrika und Asien liegen.

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